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Geschickte Ingenieure und Architekten

von MM

Stabilität, Nützlichkeit und Schönheit sind die drei Prinzipien, auf denen die menschliche Baukunst beruht und die erstaunlicherweise in der faszinierenden Vielfalt der sorgfältigen und häufig komplexen Nesttypen wiederzufinden sind. [1] Es ist bemerkenswert, mit welcher Energie und Raffinesse die Vögel den optimalen Ort für ihr Gelege suchen und das Nest konstruieren. Doch woher wissen die Vögel, was sie tun müssen, wenn sie das für ihre Art typische Nest bauen oder renovieren? Was treibt sie überhaupt an zum Nestbau in schwindelnden Höhen der Baumwipfel, in rauen Felswänden, in lehmigen Uferwäldern, auf dem Wasser, in Baumhöhlen oder schlicht am Boden? Sie funktionieren nach einem bemerkenswerten Verhaltensprogramm, das nicht im Stande ist, sich selbst zu programmieren, um solche Wunderwerke zum richtigen Zeitpunkt zu erschaffen.

Der Dorfweber ist ein Vertreter der 117 (Stand 2019) Webervogelarten - hier ein Exemplar aus Swakopmund, Namibia.

Ein Rosttöpfer (Furnarius rufus) töpfert sein Lehmnest.

Weißkopfseeadler (Haliaeetus leucocephalus) bessern ihren Horst aus, den sie jedes Jahr wiederverwenden.

 

Bevor die Brutzeit beginnt startet die Bausaison mit allen denkbaren örtlichen Materialien, die ‚schnabelgerecht‘ verfügbar sind. Bis auf die Greifvögel, die ihre Krallen nutzen, wird alles mit dem Schnabel transportiert und geschickt verbaut, ausgepolstert, aus Lehm geformt. Höhlen erden gegraben und es wird gar gewebt und genäht, wie es der Schneidervogel vormacht. Von den hohen Baumwipfeln, in denen der plattförmige Horst der Störche und Greifvögel ruht, bis zu den scheinbar unspektakulären Mulden auf dem Boden eines Sandregenpfeifers, bieten die Vögel eine faszinierende Vielfalt in der Konstruktion ihrer Nester und der verwendeten Materialien.

Das größte und schwerste Nest, das jemals in den Bäumen gefunden wurde, ist das eines Weißkopfseeadlers mit nahezu drei Tonnen Gewicht und beinahe drei Metern Durchmesser.[2] Nicht größer als eine Walnussschale ist dagegen das Nest eines Kolibris, einer Zwergelfe, der in der Karibik beheimatet ist. [3] Die afrikanischen Webervögel lassen durch ihre Webkunst die kunstvollsten Nester entstehen, die man mit einem Schnabel flechten kann. Zudem sind sie optimal gegen die starken Temperaturschwankungen in der Wüste isoliert. Die längsten Erdhöhlen von 3,5 m stammen von Kiwis in Neuseeland. Die Papierwaldsänger aus Südamerika konstruieren ihre Lehmnester aus Schlammkügelchen, die an die Form eines Ofens erinnern und sogar separate Zimmer aufweisen. Das raffinierteste Nest bauen die Stirnvögel Südamerikas, indem sie das Nest einer aggressiven Wespe nachahmen und sich die Feinde somit auf Distanz halten.

So unterschiedlich die Nester sind, die besondere Gemeinsamkeit liegt in ihrer perfekten individuellen Ausführung und Klimatisierung. Keines von ihnen lässt die Möglichkeit für blinde Evolution und zahlreiche Fehler bis zur Optimierung zu, was den Vögeln das sofortige Aussterben bringen würde. Das Ei des Kaiserpinguins ist den widrigsten Wetterbedingungen ausgesetzt, die man sich vorstellen kann. Hier muss alles reibungslos ablaufen, damit der Nachwuchs eine Überlebenschance hat. Es drängt sich regelrecht die Frage auf, wie diese und andere Taktiken ohne codierte Informationen evolvieren kann?

Viele weitere faszinierende Informationen verrät Philip Snow in seinem Buch The design and origin of birds aus dem Verlag Day One.