von JS

Die Bibel benutzt Wörter wie „Sonne“, „Sonnenstrahlen“ oder „Licht“ oft, um eine geistliche Wahrheit zu verdeutlichen. Das „Stechen der Sonne“ steht in Jes 49:10 für Gefangenschaft, Bedrohung durch Feinde und Probleme generell. In Mt 13:43 schließt Jesus seine Rede mit der Aussage, dass die Gerechten leuchten werden wie die Sonne. Auch Gott und Christus werden als Sonne oder Licht beschrieben. Interessant ist hier eine Passage aus dem Propheten Maleachi (Mal 3:20). Gott stellt dort die Gottlosen und die Gerechten gegenüber. Die Gottlosen werden gerichtet, aber den Gerechten wird „die Sonne der Gerechtigkeit aufgehen“. Maleachi meint damit die Gnade Gottes in seinem Gericht. Man kann aber auch Christus in diesem Text entdecken. Nur wenige Verse später wird nämlich Johannes der Täufer verheißen, der ein Vorbote für Jesus Christus war. So endet das Alte Testament. 400 Jahre später wird es Realität: Jesus Christus ist die Sonne, die uns Gerechtigkeit bringt. Durch ihn werden wir gerecht vor Gott, wir können miteinander gerecht umgehen und Gottes Gerechtigkeit wird grundsätzlich in der Welt (durch die Gemeinde) verwirklicht.

Nachdem Gott in vergangenen Zeiten vielfältig und auf vielerlei Weise zu den Vätern geredet hat durch die Propheten, hat er in diesen letzten Tagen zu uns geredet durch den Sohn.

 

Das Neue Testament verbindet Gott und Licht immer wieder: Wenn sich jemand zu Gott bekehrt, dann bekehrt er sich zum Licht (Apg 26:18) und im Himmel wird Gott die Sonne ersetzen (Off 21:23; 22:5). Christus wiederum ist das Licht in der Finsternis (Joh 1:4-5) und das helle Licht des Evangeliums (2Kor 4:4). In der frühchristlichen Gemeinde war die Sonne in Verbindung mit Gott also auch sehr beliebt. Als der Schreiber des Hebräerbriefes sich an seinen Tisch gesetzt hat, um mit dem Brief zu beginnen, hat er auf jeden Fall an Christus gedacht. Das sehen wir in den ersten drei Versen. Wahrscheinlich dachte er aber gleichzeitig auch an das Sonnenlicht, weil er in Vers 3 über eine „Ausstrahlung“ spricht.

Gott hat geredet. Sein Reden hat angefangen mit der Schöpfung und den ersten Menschen (1Mo 1-11) und setzte sich dann fort in der Geschichte mit Israel (1Mo 12 bis Mal 3). Menschen haben seit jeher das Privileg gehabt, etwas über Gott zu wissen. Sie wussten, dass er heilig, zornig, gerecht, gütig, gnädig und liebevoll ist. Aber kannten sie ihn auch? Es gab vereinzelt Männer und Frauen, die eine enge Beziehung mit Gott pflegen durften, aber das traf nicht auf die meisten Israeliten zu (und schon gar nicht auf die sonstige Weltbevölkerung). Die Menschen wussten zwar, dass die „Sonne“ da war und verspürten auch hier und da einen ihrer warmen Lichtstrahlen, aber die volle Kraft der Sonne kannten sie noch nicht. Darum redete Gott erneut. Und er redete diesmal in Christus, seinem Sohn. Jetzt kommt Gott selbst zu den Menschen, um gekannt zu werden. Er verfolgt dabei eine dreifache Absicht.

Ihn hat er eingesetzt zum Erben von allem, durch ihn hat er auch die Welten geschaffen; dieser ist die Ausstrahlung seiner Herrlichkeit und der Ausdruck seines Wesens und trägt alle Dinge durch das Wort seiner Kraft; er hat sich, nachdem er die Reinigung von unseren Sünden durch sich selbst vollbracht hat, zur Rechten der Majestät in der Höhe gesetzt.
Heb 1:1-3

 

Christus klärt uns über Gott auf!

Vers 3: Christus ist „die Ausstrahlung seiner (Gottes) Herrlichkeit und der Ausdruck seines Wesens“. Der Begriff „Ausstrahlung“ kann auch mit „Abglanz“ oder „Ausfluss“ übersetzt werden. In diesem Bild ist Gott (der Vater) die Sonne und Christus das Sonnenlicht. Gott ist die Quelle und Christus der Ausfluss. Anhand des Wassers können wir schmecken, ob eine Quelle gut oder schlecht ist. Christus zeigt uns, wie gut (bzw. wie herrlich) Gott ist. Die Zeit der Aufklärung wurde oft mit Licht und Erleuchtung in Verbindung gebracht. Jesus kann in gewisser Weise auch als „Aufklärer“ bezeichnet werden. Er klärte uns über Gott auf. Während sich die Aufklärer des 18. und 19. Jahrhunderts allerdings von Gott verabschiedeten, wollte Jesus uns Gott durch seine Lehre, sein Leben und seinen Tod verständlich machen. Was genau wollte Jesus uns von Gott offenbaren? Der Text redet von der Herrlichkeit und dem Wesen Gottes. Das Wesen Gottes begründet seine Herrlichkeit. Sein Wesen macht ihn bewundernswert und anbetungswürdig. Und genau dieses Wesen zeigte sich in Jesus Christus, der für sich selbst beanspruchte, Gott zu sein. Als Jesus nämlich in der unbedeutenden Stadt Bethlehem geboren wurde, konnten wir etwas von der Demut Gottes erahnen. Als Jesus Lazarus von den Toten erweckte, erlebten wir Gottes Allmacht. Als Jesus über Jerusalem weinte, offenbarte Gott sein tiefes Mitleid mit bösen Menschen. Als Jesus im Tempel die Geldwechsler und Tierhändler verscheuchte, zeigte Gott seine Abscheu vor Sünde. Und als Jesus schließlich am Kreuz verblutete, sahen wir den Zorn Gottes in seiner ganzen Größe, aber auch seine Liebe zu uns.

Die Sonne strahlt ihr Licht auf die Erde und wir sind begeistert von ihren Strahlen. Genauso sandte Gott seinen Sohn und in ihm zeigt sich seine Herrlichkeit. Es ist unverständlich und faszinierend zugleich, dass Gott selbst auf die Erde kommt. Niemand hat jemals damit gerechnet, dass Gott von Menschen in den Schlaf gewiegt wird; dass Gott in einer Zimmermannswerkstatt Holz zurechtschneidet; dass Gott seine Füße auf staubigen Straßen schmutzig macht; dass Gott mit Zöllnern, Huren und anderen Sündern an einem Tisch sitzt; dass Gott verraten, angespuckt, ausgepeitscht und gekreuzigt wird. Wer hätte sich jemals einen toten Gott vorstellen können? Wenn man Nicht-Christen von diesem Gott erzählt, können sie es oft nicht glauben. Wie kann man als Allmächtiger so ohnmächtig werden? Aber Gott hat es getan. Er wollte nämlich, dass wir unmittelbar miterleben, wer er ist und wie er handelt. Die Sonne hat uns mit ihren Strahlen, die aus ihr selbst hervorgegangen sind und demnach Teil der Sonne selbst sind, besucht. (Lk 1:78.79) Die Sonnenstrahlen lassen uns nur erahnen, wie groß die Hitze und Energie der Sonne selbst sind. Genauso ist es auch mit Christus. Zwar zeigt sich in ihm die göttliche Vollkommenheit, aber noch nicht in ihrem vollen Maß. Erst in der Ewigkeit werden wir vollends aufgeklärt über das Wesen und die Herrlichkeit unseres Gottes.

Christus räumt unsere Schuld auf!

Gott sandte seinen Sohn allerdings nicht nur, um uns über ihn aufzuklären, sondern auch um uns zu retten: Christus hat „die Reinigung von unseren Sünden durch sich selbst vollbracht“. In unserer nachchristlichen Gesellschaft ist es unerhört, von Sünde zu reden. Und wenn jemand überhaupt mal über Sünde nachdenkt, geht es selten um eine Verfehlung gegen Gott, als vielmehr um ein Versagen gegenüber dem eigenen Anspruch: Ich habe meine eigenen Erwartungen nicht erreicht und deswegen jetzt ein schlechtes Gewissen. Sünde wird totgeschwiegen, bis man sie vergessen hat.

Die Bibel aber redet über Sünde, ohne etwas zu beschönigen und malt damit ein realistisches Bild vom Menschen. Wir sind bedürftige Sünder und brauchen Reinigung. Gott hatte genau das im Sinn, als er Christus schickte. Die Sünde ist wie Schmutz. Es ist so, als wenn ich grade aus einem Abwasserkanal komme. Meine Kleidung ist scheußlich schwarz, der Gestank himmelschreiend, mein ganzes Erscheinungsbild jämmerlich und lächerlich. Alle rümpfen die Nase und wenden sich von mir ab. Ich kann noch so viel gegen meinen Schmutz unternehmen, er wird doch haften bleiben. Mit der Zeit werde ich verstockter, egoistischer, schneller reizbar, stolzer, neidischer, gehässiger, zynischer und charakterlich immer ungenießbarer. Ich vegetiere dahin, auf den Tod wartend.

Als Gott diesen Menschen sah, bekam er Mitleid und wollte ihn reinigen. Er sandte seinen Sohn Jesus Christus. Dieser nimmt die alten Kleider und verbrennt sie. Er reinigt mich von allem Schmutz und schenkt mir neue Kleider. Das hat er am Kreuz „durch sich selbst“ getan. Es war eine göttliche Rettungsaktion. Die Bibel sagt, dass jeder, der an ihn glaubt, gereinigt wird. Biblischer Glaube beinhaltet, dass ich Gott in seiner Existenz anerkenne, mein Vertrauen auf ihn setze und dann auch seinen Forderungen gehorsam bin. In Joh 1:9 wird diese Rettungsaktion mit einer Erleuchtung verglichen. Der Vater (die Sonne) schickt Christus (das Licht), und dieser erleuchtet uns Menschen (die Finsternis).

Diese Gedanken sind uns so geläufig. Sie kommen überall in der Bibel und in den Gottesdiensten vor. Und das zu Recht! Hier befinden wir uns nämlich im Zentrum des Evangeliums, das wir nie tief genug ergründen können. Deswegen an dieser Stelle vielleicht ein Tipp: Schreiben Sie sich Verse auf, die den Kern des Evangeliums treffend beschreiben und sinnen Sie über diese Verse nach (bspw. Mt 5:3-11; Joh 3:16; 14:6; 2Kor 4:6; 2Tim 3:16; Heb 12:1-3). Christus hat unsere Schuld aufgeräumt – das in Anspruch zu nehmen und immer mehr zu verstehen, ist unsere Berufung.

Christus fährt zum Himmel auf!

Wir haben schon gesehen, dass Gott sich in Christus komplett entäußert hat (siehe den Abschnitt Christus klärt uns über Gott auf!). Am Ende starb er sogar. Wenn dies das Ende des Evangeliums wäre, könnte man nur schwer von einer frohen Nachricht sprechen. Das Evangelium ist aber eine frohe Botschaft, weil Christus von den Toten auferweckt wurde. Aber damit noch nicht genug! Der Vater nahm ihn wieder in den Himmel auf und gab ihm den Ehrenplatz zu seiner Rechten. Davon spricht auch Heb 1,3: „er hat sich […] zur Rechten der Majestät in der Höhe gesetzt.“ Der Vater sandte das Licht, Jesus Christus, auf die Erde. Das Licht klärte uns über Gott auf und reinigte uns von unseren Sünden. Damit hatte Christus seine Bestimmung erfüllt und ging wieder „nach Hause“ zum Vater.

Gott, der Herr, der Mächtige, redet und ruft der Welt vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang. Aus Zion bricht an der schöne Glanz Gottes. Unser Gott kommt und schweiget nicht.
Ps 50:1-3a

 

Christi Himmelfahrt geht manchmal etwas unter neben den „Hauptfesten“ Weihnachten oder Ostern. Dabei transportiert dieses Fest für Christen eine ganz zentrale Lehre: Jesus ist verherrlicht und Jesus kommt wieder. Er ist nicht nur ein Mensch, nicht nur ein Gekreuzigter, sondern er ist der auferstandene König dieser Welt. Er ist der Regent und Weltenbeherrscher, dem jeder Mensch die Ehre bringen muss und auch wird. Christus ist „besser“ als das Alte Testament – das wird in diesem Text (und auch später im ganzen Hebräerbrief) sehr deutlich. Christus ist besser als die Engel (Kap. 1-2), besser als Mose (Kap. 3,1-6) und besser als die Sabbatruhe (Kap. 4). Er ist der bessere Hohepriester (Kap. 5-8:5), ein besserer Bund (Kap. 8, 6-13), ein besseres Heiligtum (Kap. 9,1-10) und das bessere Opfer (Kap. 9,11-10,18). Der Hebräerbrief scheint uns die Herrlichkeit Jesu Christi geradezu aufzuzwingen und unser Text (Heb 1,1-3) ist die Einleitung in dieses generelle Thema. Hier wird das Alte Testament nicht abgewertet, es wird aber deutlich gemacht, dass der Neue Bund den Alten Bund übertrifft. Der Vater hat seinen Sohn mit unaussprechlicher Herrlichkeit beschenkt. Wir sollten Jesus nicht nur deswegen anbeten, was er vor 2000 Jahren getan hat, sondern auch deswegen, was er jetzt ist.

Beten wir unseren Gott an!

Gott hat geredet: Erstens: In Christus offenbart Gott seinen „Lichtglanz“ (Ps 50:2). Zweitens: In Christus bietet er jedem Menschen die Reinigung von seinen Sünden an. Und drittens: In Christus verpflichtet er alle zur Anbetung. Und genau das ist es, was uns letztendlich als einzige Antwort übrigbleibt – die Anbetung Gottes. Als bedürftige Menschen, die angewiesen sind auf Offenbarung und auf Rettung (denn beides finden wir nicht in uns, auch wenn wir noch so tief „reinhorchen“ und uns anstrengen), müssen wir Gott die Ehre geben. Er hat sich uns offenbart und uns gerettet. Wie Kinder, die in die Sonne schauen, die Sonnenstrahlen auf dem Gesicht tanzen lassen und sich daran freuen, können wir uns an unserem Gott freuen. Nehmen Sie sich doch jetzt eine Minute Zeit, lesen Sie noch einmal Heb 1:1-3 und beten Sie Gott für das an, was er in Christus getan hat.

Literaturverzeichnis

  1. Übersetung nach Luther
  2. In der Theologie spricht man von der offenbarungstheologischen, der soteriologischen und der doxologischen Absicht.
  3. Im griechischen Grundtext: απαύγασμα – apaugasma.
  4. Nicht umsonst die engl. und franz. Begriffe „Enlightenment“ und „Lumières“.